Bericht der Verwaltung zu den Auswirkungen der Stellenkürzungen im VD
Sehr geehrte Frau Stadträtin,
sehr geehrter Herr Stadtrat,
wie in der Sitzung des Gemeinderates am 30.11.2021 zugesagt, habe ich die Fragestellungen in Ihrer o.g. Anfrage vom 08.11.2021 durch das Amt für öffentliche Ordnung
fachlich aufbereiten lassen und kann dazu wie folgt Stellung nehmen:
1.
a. Welche Erkenntnisse liegen der Stadtverwaltung vor zu den Auswirkungen
der beschlossenen Kürzung des VDs seit April 2021? Wir verweisen hier auf
die Ankündigung der Verwaltung vom Juli dieses Jahres auf eine Evaluation
gemeinsam mit der Polizei und mögliche Auswirkungen auf die Anwohnerschaft.
Die Reduzierung des VD um sechs Stellen macht sich seit April 2021 in Form eines
„strukturellen Vollzugsdefizits“ im gesamten Stadtgebiet bemerkbar. Die Auswirkungen des Vollzugsdefizits stellen sich wie folgt dar:
Der VD kann, aufgrund der personellen Reduzierung des VD’s, die Einhaltung, der
kommunalen „Polizeiverordnung zur Sicherung der öffentlichen Ordnung und gegen
umweltschädliches Verhalten in der Stadt Freiburg i. Br.“ nur noch eingeschränkt kontrollieren.
Es erfolgt seit der Reduzierung eine stärkere Priorisierung der Einsätze.
Dies zeigt sich unter anderem beim Schutz der Nachtruhe, einer Schutzvorschrift, die
die Einwohner_innen in der Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr vor gesundheitsgefährdenden Lärmimmissionen bewahren soll und die mit Zustimmung des Gemeinderats
in der Polizeiverordnung geregelt wurde.
Von Mai 2021 bis November 2021 konnten insgesamt 116 Lärmbeschwerden, die
beim VD eingingen, aufgrund fehlender Kapazitäten nicht bearbeitet werden.
Beispielsweise kann die Einhaltung der Nachtruhe am Augustinerplatz, entsprechend
der Vorgaben im Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg 4 K 805/16 vom 10.10.2018,
wonach die Stadt „geeignete polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der den
Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom
29.09.2009 zu ergreifen hat, soweit und solange an den Wohnungen der Kläger zwischen 24:00 Uhr und 06:00 Uhr Beurteilungspegel von 62 dB(A) regelmäßig überschritten werden“ nicht in ausreichendem Maße umsetzen: Für die Umsetzung der gegenständlichen Vorgaben ist von Seiten der Stadt maßgeblich der VD zuständig. Das
diesbezügliche „Einsatzkonzept Augustinerplatz“ sieht seit März 2019 vor, den Augustinerplatz monatlich mindestens 48 Mal gesondert in den Abendstunden an den Wochenenden zu kontrollieren. Seit Mai 2021 konnte der Augustinerplatz durchschnittlich
16 Mal im Monat bestreift werden. Dies führte unmittelbar zu vermehrten Anwohnerbeschwerden. Die Beschwerdelage erreichte auch die Verwaltungsspitze und den Polizeipräsidenten und die betroffene Anwohnerschaft hat eine Wiederaufnahme der
Klage gegen die Stadt Freiburg erwogen.
Einsatzgebiet des VD:
Daneben hatte die gegenständliche Kürzung auch unmittelbare Auswirkungen auf den
Einsatzradius sowie auf die von den Bürger_innen in den Sicherheitskonferenzen 2019
gewünschte Präsenz des VD in den Stadtteilen außerhalb der Innenstadt. Diese Präsenz konnte beispielhaft in St. Georgen, in Landwasser, am Seepark oder am Opfinger
See nur eingeschränkt geleistet werden:
In St. Georgen kümmerte sich der VD in der Vergangenheit um Lärmproblematiken,
Vermüllung sowie Vandalismus im Bereich des Dorfbaches, am Spielplatz oder am
angrenzenden Wald. Zusätzlich war der VD im Gaststättenbereich bei Lärmverstößen
oder bei Verstößen gegen die CoronaVO BW tätig. Eine Gegenüberstellung der Einsätze in den vergangenen Jahren zeigt, dass die Einsatzzahlen in St. Georgen, aufgrund der reduzierten Personalkapazität, gesunken sind (2020: 252 Einsätze; 2021:
102 Einsätze).
In Landwasser wurden die Brennpunkte, insbesondere der Schulhof der AlbertSchweitzer-Schule, das Einkaufszentrum und der Moosweiher mit vergleichbaren
Problemlagen bestreift. In 2020 war der VD insgesamt 418 Mal vor Ort. Im Jahr 2021
noch 241 Mal.
Im Seepark, mit der bekanntlich hohen Beschwerdelage, wurden in 2020 565 Streifengänge durchgeführt. In 2021 wurden noch 473 Streifengänge durchgeführt, davon alleine 271 Streifengänge in den ersten vier Monaten 2021. Nach der Reduzierung des
VD konnten dort noch 202 Streifengänge in den folgenden acht Monaten vorgenommen werden.
Die Auswirkungen der Reduktion zeigten sich auch daran, dass 26 von den 55 Lärmbeschwerden im Jahr 2021 aus Personalmangel und der Einsatzlage in der Innenstadt
nicht bearbeitet werden konnten, während es im Jahr 2020 keine Absagen durch den
VD gab.
Am Opfinger See, hier als Beispiel für die Wasser- und Umweltschutzgebiete genannt,
kümmert sich der VD um die Verhinderung von lautstarken Partys, das verbotswidrige
Befahren des Naturschutzgebietes und die Verhinderung von Vermüllung. In den Sommermonaten 2020 konnte der VD noch 62 Mal an den heißen Wochenendtagen vor
Ort unterstützen, während dies im Sommer 2021 aufgrund der Reduzierung eingeschränkt noch 31 Mal stattfinden konnte.
Die geschilderte Situation in den genannten Stadtteilen und Erholungsflächen zeigen
beispielhaft die Veränderung bzw. Einschränkung des Einsatzgebietes des VD‘s.
Das Polizeirevier bestätigt die dargestellte Situation bzgl. des eingeschränkten Einsatzgebietes des VD. Letztendlich führt dies dazu, dass Anwohnerbeschwerden wegen Ordnungsstörungen von der Polizei gegenüber Straftaten nachrangig priorisiert
und im Einzelfall nicht durch die Polizei bearbeitet werden können. Dies führt insgesamt zu einer erhöhten Beschwerdelage und zu einem Vertrauensverlust seitens der
Bürgerschaft.
Sichtbarkeit des VD in der Öffentlichkeit:
Die Präsenz des Vollzugsdienstes in der Öffentlichkeit, insbesondere im Sinne der
Prävention von Ordnungsstörungen, aber auch zur Verhinderung von eventuellen Gewalt- und Sexualdelikten, konnte ebenfalls nur noch eingeschränkt nachgekommen
werden. Dies ergibt sich aus der verringerten Anzahl der möglichen Streifengänge und
der damit einhergehenden verringerten Präsenzzeit im öffentlichen Raum: Haben
2020 noch 3670 Streifengänge des VD stattgefunden, konnten 2021 noch 2594 Streifengänge stattfinden, was einem Rückgang um etwa 30 Prozent entspricht. Zugleich
ist die allgemeine Beschwerdelage, in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen:
2018: 530 Beschwerden
2019: 662 Beschwerden
2020: 2145 Beschwerden (auch wegen Coronapandemie)
2021: 1451 Beschwerden.
Gegenüberstellung der VD-Einsatzzahlen 2020 und 2021:
Diese Zusammenfassung verdeutlicht die Auswirkungen der verringerten Präsenz desVD in Freiburg.
Kriminalitätslage:
Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2021 wurde am 18.03.2022 veröffentlicht. Auf die Behandlung im Haupt- und Finanzausschuss am 09.05.2022 anhand der Drucksache
HFA-22/018 wird verwiesen.
Das Innenministerium hat trotz der einseitigen Rücknahme der personellen Verstärkung des VD das Polizeipräsidium Freiburg weiterhin konstant mit einer erhöhten Zuweisung von 15 Einsatzgruppen unterstützt. Die Bearbeitung von schweren Gewaltdelikten und die Ermittlung der Tatverdächtigen wird durch die Ermittlungsgruppe
Sicherheitspartnerschaft (EG SiPa) gewährleistet, wodurch die Sicherheitssituation in
der Innenstadt deutlich verbessert worden ist.
Verfügbarkeit des VD:
Die Reduzierung des Vollzugsdienstes macht sich auch bei den zuständigen Polizeirevieren bemerkbar. So kann zu gewissen Zeiten nicht auf den Vollzugsdienst zurückgegriffen werden und die Polizei bekommt vermehrt auch Einsätze im Kontext von
Ordnungsstörungen zur Bearbeitung. Die Beteiligung des VD an dem Konzept SiNa
(Sichere Nacht) konnte aufgrund der gesunkenen Personalstärke nicht aufrechterhalten werden. Das hat zur Konsequenz, dass manche Brennpunkte nicht frühzeitig und
niederschwellig durch den VD aufgesucht werden können und die Polizei stattdessen
zu einem späteren Zeitpunkt mit entsprechenden Kräften vor Ort sein muss, weil sich
die Lage verdichtet hat und zu eskalieren droht.
Präventiver Ansatz des VD im Zusammenhang mit Nutzungskonflikten im öffentlichen
Raum:
Die Polizei sorgt bei uneinsichtigen oder gar gewalttätigen Personengruppen letztendlich für ein konsequentes Einschreiten. Allerdings betont die Polizei, dass es vor einem
Einschreiten der Polizei Maßnahmen der Konfliktbewältigung, aber auch Sanktionierung durch einen Vollzugsdienst der Behörde sieht. In der Fortschreibung der Sicherheitspartnerschaft 2018 wurde deshalb auch als Aufgabe der Stadt Freiburg gesehen
„die verstärkte Förderung bzw. Schaffung von Kommunikationswegen/-strukturen sowie Mediations- bzw. Vermittlungsprozessen zwischen Klientinnen und Klienten und
verschiedenen Interessengruppen im Konfliktfall zu befrieden.“ Die bestehenden Einrichtungen wie z.B. Straßensozialarbeit und Prärie hat die Landespolizei im Kontext
der Konfliktlagen des vergangenen Sommers nicht als geeignet eingestuft in diesem
Themenfeld eingesetzt zu werden und sieht hier eine Regelungslücke.
b. Wie wirkt sich die Kürzung auf die Arbeit der Mitarbeitenden aus und welche
Schwerpunkte werden gesetzt?
Die Kürzung wirkt sich für die Mitarbeitenden dahingehend aus, dass diese deutlich
mehr Nachtschichten und Sonderdienste leisten müssen. Die regelmäßige Ausweitung der Dienstzeiten bis in die Nacht hinein wird zwar weiterhin aufrechtzuerhalten
versucht, stellt den VD durch den reduzierten Personalkörper vor große Herausforderungen. Mit 16 Bediensteten mussten die einzelnen Bediensteten im Jahr 2020 durchschnittlich jedes sechste Wochenende in den späten Wochenendnachtdienst. Nach
der Reduzierung sind die Mitarbeitenden durchschnittlich alle vier Wochen und bei zusätzlichem Urlaub oder Krankheit jedes zweite Wochenende bis in die Morgenstunden
im Einsatz.
Die Reduzierung der Anzahl der Mitarbeitenden hat zwangsläufig zu einer räumlichen
Fokussierung auf die Innenstadt geführt. Inhaltlich wurde der Schwerpunkt auf die reaktive Bearbeitung von Beschwerdelagen, entsprechend ihrer Erheblichkeit gelegt.
Hierbei musste die präventive Bearbeitung von Ordnungsstörungen erheblich reduziert werden.
Besondere Einsatzlagen und Schichtplanung:
Bei besonderen Einsatzlagen, wie die Bestreifung des Eschholzparkes im Sommer
2021 oder bei der Überwachung des Glasflaschenverbotes auf dem Platz der Alten
Synagoge können weitere, notwendige Einsätze nicht oder nur nachrangig, erfolgen.
So hat dies zur konkreten Folge, dass z.B. einer zeitgleichen Lärmbeschwerde im Seepark nicht nachgegangen werden kann.
Auch die Schichtpläne unterliegen Einschränkungen, was sich insbesondere am
Samstag zeigt: Da die Bediensteten entweder Samstag und Sonntag (nach der Frühschichtwoche) oder Sonntag und Montag (nach der Spätschichtwoche) Wochenende
haben, kann nur eine Schichtgruppe im Dienst sein. Da somit überwiegend nur zwei
Streifen zur Verfügung stehen und am Samstagabend der Personalbedarf des VD sehr
hoch ist, kann der Tag nicht abgedeckt werden.
Es entsteht ein Vollzugdefizit, da insbesondere an den Wochenendtagen die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleistet sein muss, um Ordnungsstörungen, wie unerlaubtes, störendes und organisiertes Betteln oder Ordnungswidrigkeiten durch alkoholisierte Personen, die zu einer Belästigung der Bürger_innen führen, durch den VD
verhindert werden sollten.
Das hochfrequentierte städtische Alltagsleben, auch unter der Woche während der
üblichen Geschäftszeiten, benötigt einen personell ausreichend ausgestatteten VD,
der die Einhaltung der Regelungen gemäß der städtischen Polizeiverordnung und in
diesem Sinne den Schutz der Bürger_innen vor Ordnungswidrigkeiten, gewährleistet
und schützt.
c. Wie schätzt die Verwaltung selbst die Auswirkungen der Kürzung ein?
Die o.g. Ausführungen zeigen, dass durch die Personalkürzungen die Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum mit großen Einschränkungen bearbeitet werden können,
was letztlich zur Unzufriedenheit bei den Bürger_innen und Mitarbeitenden führt.
Es zeigte sich bereits vor der Debatte zum DHH 2021/2022, dass die personelle Ausstattung des VD für die Vielfalt an Aufgaben in einer jungen Großstadt mit 230.000
Einwohner_innen nicht ausreichend dimensioniert war. Dies verdeutlicht in eindringlicher Weise der Vergleich mit anderen Großstädten in Baden Württemberg, mit vergleichbaren Problemlagen und diesbezüglichen dringlichen Handlungsfeldern.
So wird derzeit der Kommunale Ordnungsdienst in Heidelberg, einer Stadt mit 160.000
Einwohner_innen, um 7 auf 30 Bedienstete erhöht. Stuttgart erhöht seinen Kommunalen Ordnungsdienst für 635.000 Einwohner_innen um 29 auf 100 Stellen. Der Kommunale Ordnungsdienst in Karlsruhe mit 313.000 Einwohner_innen hat 26 Bedienstete.
In Anbetracht der gleichgelagerten Problemstellungen in den anderen Städten und der
zeitintensiveren Art der Arbeit des VD mit dem erfolgreichen „Freiburger Weg“, der sich
in der Stadtgesellschaft Freiburgs bewährt hat, muss aus Sicht des Ordnungsdezernates nochmals darauf hingewiesen werden, dass in Bezug auf die Einwohnerzahl
und des Ansatzes ein Vollzugsdienst mit mindestens 16 VzÄ erforderlich und angemessen ist.
Auch hinsichtlich der originären Kontrollzuständigkeit des Vollzugsdienstes in Bezug
auf die CoronaVO oder die Kontrollen der Sperrzeit hat sich gezeigt, dass der Vollzugsdienst unverzichtbar ist. Die aktive Überwachung von „Problemgaststätten“ ist aus
Sicht der Landespolizei unabdingbar und Aufgabe des VD.
d. Kommt die Verwaltung mit Blick auf den vergangenen Sommer zu dem Ergebnis, dass die gekürzten 6 Stellen hilfreich gewesen wären, um Konflikte
im öffentlichen Raum wirksamer zu bearbeiten?
Die Lärm- und Müllproblematik sowie weitere Ordnungsstörungen haben im Zusammenhang mit der verstärkten Nutzung des öffentlichen Raums seit 2019 deutlich zugenommen. Diese Zunahme trifft auf die gegenständliche Stellenreduzierung und hat
wie unter Ziffer 1 a. dargelegt eine adäquate Aufgabenerfüllung deutlich eingeschränkt.
Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl an Ordnungswidrigkeiten im Stadtgebiet
sowie die Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum aufgrund des geänderten Nutzungsund Freizeitverhaltens der Bürger_innen hoch bleiben und noch zunehmen werden.
Wie ebenfalls in der Sitzung des Gemeinderates am 30.11.2021 zugesagt, werden wir
im 2. Quartal 2022 eine Drucksache zu einem Stufenmodell der Konfliktbearbeitung
unter stärkerer Einbindung präventiver Maßnahmen inkl. der erforderlichen Personalressourcen dem Gemeinderat zur Beratung und Beschlussfassung vorlegen. Die
CDU-Fraktion, Freie Wähler-Fraktion, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Fraktionsgemeinschaft SPD/Kult und Fraktionsgemeinschaft FDP/BfF haben mit Schreiben vom
11.04.2022 einen offenen Brief formuliert, dessen Fragestellungen mit dem vorliegenden Schreiben, in der angekündigten Drucksache und mit der Beantwortung, der
schon älteren Einzelanfrage nach § 24 Abs. 4 GemO zu Sachthemen außerhalb von
Sitzungen zu Lärmbelästigung am Seepark vom 30.03.2022 von Freiburg Lebenswert
aufgegriffen werden.
Die übrigen im Gemeinderat vertretenen Fraktionen, Fraktionsgemeinschaften, Gruppierung und Einzelstadtrat erhalten Nachricht von diesem Schreiben.
Mit freundlichen Grüßen
2.
Nachricht hiervon
– per E-Mail als PDF –
a) den Vorsitzenden der im Gemeinderat vertretenen Fraktionen, Fraktionsgemeinschaften, Gruppierung und Einzelstadtrat
b) den Geschäftsstellen der im Gemeinderat vertretenen Fraktionen, Fraktionsgemeinschaften, Gruppierung und Einzelstadtrat
jeweils mit der Bitte um Kenntnisnahme.
gez. Breiter
Bürgermeister
Anlage