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Finanzielle Spielräume schaffen und nutzen: Hoher Standard statt vieler Leuchttürme

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Änderungsantrag zur 2. Lesung des Doppelhaushalts im Hauptausschuss am 22. und 23.03.2021

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die CDU-Fraktion beantragt im Rahmen der 2. Lesung folgenden grundsätzlichen Beschluss:

Die Verwaltung prüft und bewertet folgende Vorschläge und legt die Ergebnisse dem Gemeinderat zeitnah zur Beratung und zum Beschluss vor:

  1. Beauftragung eines externen Baukostencontrollings bei allen großen Projekten mit einem investiven Finanzvolumen von mehr als 1.000.000 Euro
  2. Ein früheres Einbinden des Gemeinderats in bislang verwaltungsintern ablaufende Abstimmungsprozesse. Dem Gemeinderat sollen jeweils verschiedenen Varianten von Großprojekten vorgestellt werden, die aufzeigen, was (auch gesetzlich) das notwendige Maß ist, und wo darüber hinaus durch klar artikulierten politischen Willen ein Mehr an Raumgröße, Platz, Nutzung, Energieffizienz oder (künstlerischer) Gestaltung beschlossen werden könnte. Diese Varianten sind dem Gemeinderat jeweils inklusive der berechneten Kosten zum Beschluss vorzulegen.
  3. Maßnahmen für einen stärkeren Fokus auf den Ergebnishaushalt. Gemeinderätliche Beschlüsse legen ihren Fokus zumeist auf den investiven Aufwand. Die mit ihnen verbundenen Kosten, vor allem die Personalkosten, spielen mit Blick auf die große Investition zunächst eine relativ nachrangige Rolle. Sie sind jedoch eine dauerhafte Belastung im Ergebnishaushalt und steigen in den allermeisten Fällen stetig an. Die gesamten finanziellen Auswirkungen einer Maßnahme sollen künftig im Rahmen der gemeinderätlichen Beratungen betont verdeutlicht und im Zeitlauf, z.B. summiert für die kommenden 10 Jahre, dargestellt werden.

Begründung:

Freiburg ist eine Wohlfühlstadt, ein Magnet. Wir hier Lebenden sind dankbar, in dieser Stadt wohnen und arbeiten zu dürfen und oft auch stolz auf den Ruf der Stadt, auf die sehr hohe Lebensqualität, auf das Lebensgefühl hier im Dreiländereck.

Zuletzt beobachten wir jedoch eine offenkundige städtische Orientierung an Superlativen, verbunden mit dem Eindruck, es sei immerzu genug Geld für alles da.

Es ist diese Jagd nach dem Höchsten, Besten, Ersten, Größten oder Neuesten, die teilweise unseren Blick dafür verstellt, dass unsere oberste Pflicht eigentlich lautet, ausgleichend zu entscheiden und im Sinne des großen Ganzen zu handeln. Das Geld, das wir ausgeben, haben wir nicht selbst erwirtschaftet, sondern treuhänderisch zu verwalten.

Im Zusammenhang mit neuen Projekten wird gerne der Begriff des Leuchtturms verwendet. Gegen einzelne dieser Leuchttürme spricht überhaupt nichts. Ganz im Gegenteil: Wohlüberlegt sind sie Ausdruck politischer und gesellschaftlicher Schwerpunktsetzungen und als Magnet der Aufmerksamkeit Akzentsetzer in die Zukunft.

Zu viele Leuchttürme – um in diesem Bild zu bleiben – sind jedoch übermäßig ressourcenintensiv und machen ein starkes Gefälle sichtbar: Hier die feierliche Auszeichnung für ein Modellbauwerk, dort Schulräume aus den 60ern, die im Wechsel der Jahreszeiten nur schwitzendes oder frierendes Lernen erlauben. Hier eine aufwändig mit Sandstein verkleidete Neubaubrücke, dort sanierungsbedürfte Straßen und Radwege. Hier pressen wir werbewirksam mit immensen finanziellen Mitteln aus einem Neubau das letzte Prozent Energieeinsparung heraus, dort blicken wir auf riesige brachliegende Einsparpotentiale im Altbaubestand, wo die Einsparung pro eingesetztem Euro um ein Vielfaches größer wäre.

Tatsächlich reichen die finanziellen Ressourcen eben doch nicht für alles.

Dabei bleibt am Ende auch die Endabrechnung von Großprojekten zumeist unbeachtet. Kostet der Neubau der Staudingerschule final 98 Millionen, oder 102?

Lassen wir uns jedoch nicht blenden vom relativierenden Kontrastprinzip – das seien doch mit Blick auf die Gesamtkosten „nur noch Peanuts“ – dann eröffnen sich Spielräume, die eine kommunale Fiskalpolitik dringend zu nutzen hat. Denn es sind eben keine Peanuts. Und oft sind diese Spielräume nicht nur unbeeinflussbare Kosten, die extern entstehen, sondern Ausdruck bewusster interner Entscheidungen.

Und genau diese Stellschrauben gehören künftig im Vorfeld politisch entschieden: Nicht nur die inhaltlich-politischen Ziele gilt es zu beraten und zu beschließen, auch den Kommastellen der Kosten muss mehr Relevanz zukommen. Um aufzuzeigen, wie viel zusätzliches Potential wir erreichen könnten, beantragen wir jeweils eine 5%-ige Kürzung aller investiven Maßnahmen, die die Millionengrenze überschreiten. Wir machen so sichtbar, wie viel mit „Mehr vom Weniger“ absolut möglich würde. Was mit diesen Geldern alles machbar wäre, braucht niemandem erklärt zu werden.

Hohe Lebensqualität, Zukunftskonzepte und gerne auch Pionierarbeit sind kein Gegenpol zu Sparsamkeit und finanzieller Ressourceneffizienz. Dass „weniger oft mehr ist“, ist keine Floskel, sondern die kluge Erkenntnis, dass Bescheidenheit, Reduktion und – ganz im Trend – Achtsamkeit den Blick auf das Wesentliche schärfen können. Klar ist doch: Wenn wir das Ziel des Höchsten, Schönsten, Teuersten aufgeben, bleibt der Standard in Freiburg weiterhin überdurchschnittlich hoch. Wenn wir aus dem Wünschenswerten das herausfiltern, was wirklich gebraucht wird, nennt man das nicht Abstriche machen, sondern verantwortungsvolles Priorisieren.

Oft genug setzen wir ungefragt „on top“ Dinge, die anfangs überhaupt nicht Teil des Wunsches waren. Aus dem dringenden Anliegen, ein altes Außenbecken wiederzueröffnen, wird so ein aktuell nicht bezahlbares neues Freibad.

Im Gegensatz dazu möchten wir insgesamt vorwärtskommen, in der gesamten Stadt den hohen Standard halten und das, was im Auftragsbuch der Stadt steht – und hier steht eine Menge – abarbeiten, und vielleicht sogar mit höherer Geschwindigkeit.

Auch der von der Verwaltung angedachte Prozess der Restrukturierung wird, darauf setzen wir klar, weitere wichtige Bausteine liefern können. Nach der Einrichtung einer Haushaltsstrukturkommission und zuletzt der Umbenennung des Hauptausschusses in „Haupt- und Finanzausschuss“ muss es nun endlich zu wirksamen Strukturen kommen, um den Ergebnishaushalt – dessen strukturelle Probleme keine neue Erkenntnis sind – besser in den Griff zu bekommen.

Dazu gehört auch, dass der Gemeinderat noch mehr in die Pflicht genommen wird, dass seine Mitglieder bewusster und in diesem Sinne auch mündiger über die Konsequenzen der Einzelprojekte entscheiden können – dass der Blick in Summe über den Moment hinaus gerichtet werden kann.

Verschiedene Wege führen zu diesem Ziel. Wichtig ist uns, dass wir in eine Debatte über diese Wege kommen. Mit diesem Antrag verfolgen wir das ambitionierte Ziel, zunächst in allen großen Projekten künftig rund 10 Prozent einzusparen.

Klar ist: Das ist ein Startpunkt, ein erster Schritt auf einem Weg zu mehr Bescheidenheit, um Chancen für das große Ganze zu erwirken. Klar ist für uns aber auch: Freiburgs hohe Lebensqualität wird durch ein solches „Mehr an Weniger“ weiter gewinnen.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Carolin Jenkner

Fraktionsvorsitzende