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Rede von Dr. Carolin Jenkner zur Neukonzeption der Freiburger Stadtbau

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

Die Verwaltung hat uns mit der vorliegenden Drucksache eine Konzeption zur Neuausrichtung der Freiburger Stadtbau vorgelegt. Für die umfassende Ausarbeitung danke ich Frau Szablewska, Herrn Klausmann, Frau Schonhard und Herrn Müller.

Das Konzept enthält viele verschiedene Bausteine, die ich getrennt betrachten möchte:

Thema Mieten

Die FSB Mietgrenze soll sicherstellen, dass die Mieten der Stadtbau im Mittel 25% unter dem Freiburger Mietspiegel liegen. Betriebswirtschaftlich notwendige Mieterhöhungen sind weiterhin möglich. Das klingt erstmal gut. Zur Ehrlichkeit gehört es jedoch zu sagen, dass man hier der bisherigen Praxis lediglich und endlich das passende Label verpasst – lag die Stadtbau doch zuletzt bei durchschnittlichen 26% unter dem Mietspiegel. Das beides nun zusammenpasst – Überschrift und Inhalt – ist kein Paradigmenwechsel, sondern wohl eher ein Anpassen des Leitsatzes an die jahrelange tatsächliche Praxis.

Ein weiterer zentraler Baustein ist der FSB Sozialbonus. Einkommensschwache Haushalte sollen nun maximal 30% des Haushaltseinkommens für die Miete ausgeben. Dies eine wirklich innovative und zielgerichtete Unterstützung für all diejenigen, die tatsächlichen Bedarf haben. Es ist eine Entlastung für diejenigen, für die eine Mieterhöhung nicht zumutbar ist; es ist ganz wesentlich, dass wir soziale Netze haben, um Menschen aufzufangen. Daher von unserer Seite ein großes Lob für diese neue Hilfe.

Bauen

Den Kern und größten Brocken der Vorlage, der uns für das nächste Jahrzehnt begleitet, stellt die Wohnbauoffensive dar. Auch hier müsste man eigentlich sagen: wunderbar, es ist ein richtiger und notwendiger Weg: wer so eine große Nachfrage nach Wohnraum hat, wie wir in Freiburg, der braucht, um die Preisspirale nicht ins Unendliche zu treiben, eines ganz gewiss: neuen Wohnraum.

Hier möchte ich ein kurzes Zwischenfazit ziehen:

Betrachten wir die einzelnen Bausteine getrennt für sich und ohne Kontext, teilen wir die Analysen und einige Schlussfolgerungen. Das Sozialkonzept ist zukunftsweisend, eine Wohnbauoffensive mit Sicherheit der richtige Schritt. Denn Freiburg braucht dringend neue Wohnungen.

Und was definitiv gelungen ist: das Konzept stärkt kurzfristig die Mieter der Freiburger Stadtbau.

Was macht aus den Bausteinen nun ein Konzept? Richtig, die Finanzierung und somit die Querverbindungen zwischen den einzelnen Bausteinen.

Was bedeutet das Konzept für das Unternehmen Freiburger Stadtbau?

Die Vorlage sieht vor, dass im Rahmen der Wohnbauoffensive 75% Mietwohnungen und 25% Eigentumswohnungen erstellt werden. Damit weicht man ab von der bisherigen Praxis, in der 40% Eigentumswohnungen realisiert wurden.  

Die Finanzierungslast der Wohnbauoffensive trägt nun zu einem maßgeblichen Teil der städtische Haushalt.

Wesentlich hierfür ist die Eigentumsquote, die Liquidität für die Investition in neuen Mitwohnungsbau schafft: Neubau-Eigentümer finanzieren den Mietwohnungsneubau der Freiburger Stadtbau mit – das entspricht der Logik eines sich in weiten Teilen selbsttragenden Solidarsystems. Dieses System hat sich in seiner grundsätzlichen Funktionsweise und Zielgenauigkeit über viele Jahre bewährt. Seinen betriebswirtschaftlichen Kreislauf nun zu stören, um jährlich anstatt ca. 38 zusätzlichen Eigentumswohnungen (bei 60/40) exakt dieselbe Anzahl an Mietwohnungen zu errichten (bei 75/25), ist in unseren Augen nicht zukunfts- und zielgerichtet:

Im Vergleich der beiden Quoten geht ein Herabsenken der Zahl der Eigentumswohnungen einher mit einer erwarteten enormen Steigerung finanzieller Unterstützung aus dem städtischen Haushalt (22 Mio. Euro in 5 Jahren) wie auch einer enormen Zunahme kommunaler Bürgschaften (25 Mio. Euro in 5 Jahren) – und das wohlgemerkt und wiederholt bei in Summe exakt derselben Anzahl errichteter Neubauwohnungen in Freiburg.

Vergessen werden darf dabei nicht: Was nicht im System selbst erwirtschaftet werden kann, wird über Steuergelder finanziert.

Die FSB muss auf dem Freiburger Wohnungsmarkt relevant sein. Sie ist dann stark, wenn sie dort als Akteur auf Augenhöhe agieren kann. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, sie dahin zu bringen.

Stark ist sie jedoch nicht, wenn sie am Tropf der Stadt hängt, sondern wenn wir es ihr möglich machen, auch den weiteren Weg so weit wie möglich aus eigener Kraft zu meistern. Das ist nicht nur wichtig für die FSB, sondern für die gesamte Stadt.

Warum ist es so wichtig, diese Maßnahmen unabhängig vom städtischen Haushalt umzusetzen?

Wir brauchen ausreichend Kraft – also öffentliche Gelder – um die vielen weiteren Herausforderungen verantwortungs- und wirkungsvoll zu stemmen.

Ein kurzer Blick auf die Tagesordnung der Sitzung von heute und morgen reicht schon aus, um diese Vielfalt an auch finanziell großen Aufgaben, die vor uns liegen, zu beweisen. (Dietenbach, Alter Sportplatz Ebnet – und viele weitere in Planung)

Eine Stärkung der Stadtbau sollte die betriebswirtschaftliche Eigenständigkeit des Unternehmens nicht schmälern, und zwar einzig und allein, damit diese gemäß ihres offiziellen Auftrags – mit Blick in die gesamte Stadt hinein – eine Stärkung der Menschen in Freiburg ermöglicht. Dazu gehören neben den Mieter_innen von heute und morgen ebenso diejenigen Menschen, die sich den Traum vom selbstgenutzten Wohneigentum ermöglichen möchten. Und hierbei sollten wir nicht vergessen, dass die Stadtbau bereits jetzt pro Jahr 150 neue Wohnungen schafft, und dies in weiten Teilen ohne Finanzhilfen der Stadt.

Trotz aller Lobenshymnen (die hier von vielen Seiten kamen) muss also ein realistischer Blick sein: Ausruhen ist nicht angesagt. Die FSB ist EIN Baustein in unserer Wohnraumproblematik, nicht jedoch die alleinige Lösung. Der Großteil der MieterInnen in Freiburg wohnt nicht in einer Wohnung der Stadtbau. Die Probleme auf unserem Wohnungsmarkt lösen wir damit nicht.

Wie könnten wir eine win-win Situation schaffen, und sowohl die Mieter_innen als auch das Unternehmen stärken?

Es braucht in Freiburg nicht nur Mietwohnungen, sondern auch Eigentumswohnungen. Und um das nochmal festzuhalten: Die Summe der geplanten neuen Wohneinheiten bis 2030 ist unabhängig von der gewählten Finanzierung ja jeweils dieselbe: nämlich 2500.

Der Bau von Eigentumswohnungen kommt der gesamten Gesellschaft zugute. Eigentumswohnungen sind ja kein Übel, wie hier im Haus von einigen immer wieder dargestellt wird. Sie bilden im Wohnungsmarkt ein wesentliches stabilisierendes Element.

Wir erinnern uns alle an die Zahlen: Seit Jahren ziehen mehr Familien aus Freiburg raus, als dass neue zuziehen. Diese Zahlen haben sicherlich viele Gründe. Der vermutlich wesentlichste Grund ist wohl vor allem, dass die Eigentumsbildung in unserer Stadt für sie kaum möglich ist. Aber genau das ist weiterhin der große Wunsch gerade vieler junger Familien.

Auch wenn gerne die Behauptung aufgestellt wird, dass Mietwohnungen in Freiburg kaum noch vorhanden und überall von den Eigentümern besetzt oder dem Leerstand übergeben werden – ein Blick auf die Fakten lohnt sich auch hier: In Freiburg gibt es nicht zu viele, sondern weit zu wenige Eigentumswohnungen – im Landes- wie im Bundesvergleich. Und auch die bundesdeutschen Zahlen sind im Verhältnis zu strukturell vergleichbaren Ländern niedrig. Das mag in der Geschichte unseres Landes begründet sein, wurden doch in der Nachkriegszeit in den zerstörten Städten fast nur Mietwohnungen errichtet. Wohlgemerkt, mit hohen baulichen Standards und großem rechtlichen Mieterschutz. Um beides werden wir heute übrigens weltweit beneidet – auch hier übertönen die Debatten um Entmietung und Immobilienhaie die Tatsache, dass die allermeisten Mieterinnen und Mieter in Deutschland sehr zufrieden mit ihrer Wohnsituation sind.

Warum also wollen wir verhindern, dass die Erwerber von Eigenheimen solidarisch den Neubau von Mietwohnungen möglich machen? Dieses System hat sich bewährt

Fazit

Wir könnten viele der geplanten Projekte und Maßnahmen mittragen und sind überzeugt von der Richtig- und der Notwendigkeit vieler Punkte. Wie in den vorherigen Ausführungen beschrieben, gibt es jedoch einen für uns wesentlichen Punkt, der unsere Zustimmung unmöglich macht.

Warum die Stadtbau die Wohnbauoffensive nicht zum größten Teil aus sich heraus umsetzen soll ist für uns nicht nachvollziehbar. Die geplante Quote von 75% Mietwohnungsbau und 25% Eigentumswohnungsbau schwächt das Unternehmen und damit langfristig auch deren Mieter, da in einem wirtschaftlich schlecht aufgestellten Unternehmen deutlich weniger finanzieller Spielraum für innovative Ideen, wie den FSB Sozialbonus, zusätzliche Hausmeister etc. vorhanden ist.

Da die hohe Bezuschussung der FSB aus dem Haushalt der Stadt Freiburg für uns die maßgebliche Grundlage dieser Neukonzeption darstellt, lehnen wir die Vorlage zu Neukonzeption der Freiburg Stadtbau ab. In unseren Augen ist eine starke Stadtbau, mit einer zum größten Teil von der Stadt unabhängigen Finanzierungskonzept der entscheidende Baustein für den Erfolg und die Nachhaltigkeit aller präsentierten Maßnahmen.

Zum Schluss noch ein paar Worte zum Mietmoratorium:

Seit September 2018 bereits gibt es dieses durch den Oberbürgermeister “befohlene” Moratorium, ein “Dekret”, wie er selbst sagt. Schauen wir uns mal genauer an, wem dieser Stop tatsächlich eine Erleichterung bietet:

Über ein Drittel der FSB-Mieten werden über Sozialleistungen finanziert. Das bedeutet, die Miete wird aus Bundesmitteln bezahlt. Hier wird also aktuell einzig der Haushalt des Bundes entlastet und somit erstmal kein Freiburger Bürger.

Das Prinzip Gießkanne kann nie sozial gerecht sein – sofern man Soziale Gerechtigkeit als individuell zugeschnittene Verteilung versteht, nach dem Leitsatz: jedem nach seinen Bedürfnissen.

Diese gleichmäßige Verteilung auf alle, ist weder im Sinne der Empfänger noch im Sinne der Allgemeinheit, die für diese aufkommen muss, sozial gerecht, auch wenn sie noch so einfach wirkt.

Wir danken der Verwaltung für die klaren sachlichen Argumente in ihrer Drucksache gegen ein Moratorium und haben dem nichts hinzuzufügen. Es ist gut, dass wir nach der symbolischen Geste des vorübergehenden Mietenstopps (Symbol = O-Ton OB) in die notwendige inhaltliche Debatte übergegangen sind und nun Maßnahmen beschlossen werden sollen, die passgenau denen Unterstützung zukommen lässt, die sie tatsächlich benötigen.