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Rede von Dr. Carolin Jenkner zum Gesamtkonzept „Bezahlbar Wohnen 2030“

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

Seit Jahren ist das Thema „Bezahlbar wohnen“ eines der brennendsten Themen in der Stadt Freiburg. Maria Viethen hat die Historie dargelegt. Ich möchte nicht auf jedes Detail des Konzepts eingehen. Viele der beschriebenen Instrumente sind bekannt und nicht neu und werden seit Jahren bereits angewendet, und sind hier mehrfach diskutiert worden.

Das Konzept reiht sich ein in das Handlungsprogramm Wohnen und viele weitere Drucksachen zu bezahlbarem Wohnen.

Unbestritten ist, dass wir beim Thema bezahlbarer Wohnraum weiter wachsam bleiben müssen und immer wieder neu diskutieren müssen, um weiter voran zu kommen.

Das Kerninstrument wird jedoch die tatsächliche Schaffung von neuem Wohnraum bleiben, also der erster Baustein des Konzepts: Baurechte schaffen! Nur so können wir eine Entlastung schaffen und die große Nachfrage decken. Daher ist vor allem der 2012 von CDU, SPD, Freien Wählern und FDP vorgeschlagene, neue Stadtteil Dietenbach mit seinen 6500 Wohnungen ein entscheidender Baustein.

Es gilt aber auch, nicht durch immer noch engere und kompliziertere Regeln diese Neubauvorhaben zu verhindern, immens zu verteuern oder Akteure zu vertreiben.

Uns ist es wichtig, dass die Leitlinie auch als eine solche verstanden wird. Innerhalb dieser finden sich diverse Zielkonflikte und Widersprüche, die bei einer stoischen Betrachtung der einzelnen Bausteine nicht zum gewünschten Ergebnis führen können.

Nehmen wir das Thema Akteure fördern und fordern

Die Genossenschaften werden im Konzept immer wieder erwähnt, sollen gestärkt und gefördert werden. Jedoch tragen wesentliche Bausteine des Konzepts dazu bei, dass man, kommt es zu konkreten Projekten, diesen Förderungswillen nicht wirklich erkennen kann:

So führt die exzessive Anwendung der sozialen Erhaltungssatzungen z.B. zu Verzögerungen bei Neuvergaben von Bestandswohnungen der Genossenschaften, da notwendige Sanierungen nicht genehmigungsfrei durchgeführt werden können.

Zudem ist eine Weiterentwicklung des Wohnungsbestands der Genossenschaften ohne die Möglichkeit des Erwerbs von Grundstücken nicht möglich: und dabei sind die Genossenschaften doch ein verlässlicher Garant für bezahlbare Mieten in Freiburg. Genossenschaften städtische Grundstücke zu überlassen sichert genau unser Ziel: das Grundstück wird der Spekulation am Markt entzogen, da es langfristig im Bestand der Genossenschaft verbleibt und dort bezahlbare Mieten sichert.

Hier sehen wir einen Widerspruch in der Förderung der Genossenschaften und dem Baustein “Bestandshaltung städtischer Grundstücke” oder auch der flächendeckenden Forderung nach 50% sozial gefördertem Mietwohnungsbau.

Zudem irritiert uns die wiederholte Verwendung der Bezeichnung „Gemeinwohlorientiert“ im Zusammenhang mit Akteuren in der Wohnungswirtschaft. Das klingt nach 2-Klassen-Gesellschaft und moralischer Überlegenheit einzelner und verkennt, dass doch alle Akteure ein Ziel vereint: der Erhalt und die Schaffung von neuem Wohnraum. Wir werden alle Akteure brauchen, um mithilfe einer am Gemeinwohl orientierten Wohnungspolitik dieser Mammutaufgabe auch nur annähernd Herr zu werden.

Entscheidend bei der Priorisierung der verschiedenen Instrumente muss auch eine sachliche Kosten-Nutzen-Bewertung der einzelnen Bausteine sein. Mehrere Millionen Euro für Grundstücke auszugeben, auf denen nur ein geringes städtebauliches Entwicklungspotential besteht und somit kaum neue Wohnungen entstehen können – und dies zudem mit einem unverhältnismäßig hohen Einsatz städtischer Gelder – erscheint uns eine wenig nachhaltige Strategie.

Gleiches gilt für das Konzept zur Neuausrichtung der Freiburger Stadtbau: Hier werden hohe Millionenbeträge aus dem städtischen Haushalt benötigt, um den Wohnungsneubau zu realisieren, anstatt durch eine kluge Mischkalkulation den Mietwohnungsbau durch den Bau von Eigentumswohnungen zu finanzieren. Man beachte: In beiden Finanzierungssituationen entstehen exakt gleich viele neue Wohnungen, nur ist die von der Stadt gewählte Variante deutlich teuer und bindet so Gelder, die sonst für mögliche weitere Maßnahmen verwendet werden könnten.

Die Bewertung der Wirtschaftlichkeit oder der Effizienz der Maßnahmen fehlt aktuell komplett für so gut wie alle Bausteine des Konzepts. Diese halten wir jedoch beim Vergleich und der Abwägung der Maßnahmen für unabdingbar!

Des Weiteren fehlt uns ein Aspekt in dem Konzept komplett: welche Vorschläge und Ideen gibt es in der Stadt Freiburg wie Menschen hier Eigentum bilden können?

Es braucht in Freiburg nicht nur Mietwohnungen, sondern auch Eigentumswohnungen. 76% der Wohnungen in Freiburg sind Mietwohnungen. Der Bau von Eigentumswohnungen kommt der gesamten Gesellschaft zugute. Ich möchte meine Worte von neulich wiederholen: Eigentumswohnungen sind kein Übel, wie hier im Haus von einigen immer wieder dargestellt wird. Sie bilden im Wohnungsmarkt ein wesentliches stabilisierendes Element und sind eine wesentliche Absicherung vor Altersarmut.

Wir erinnern uns alle an die Zahlen: Seit Jahren ziehen mehr Familien aus Freiburg raus, als dass neue zuziehen. Der vermutlich wesentlichste Grund ist wohl vor allem, dass die Eigentumsbildung in unserer Stadt für sie kaum möglich ist. Genau das ist weiterhin der große Wunsch gerade vieler junger Familien. Die ausschließliche Vergabe städtischer Grundstücke im Erbbaurecht wird diesen Trend weiterhin verstärken.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Wir appellieren an Sie und die Verwaltung die Leitlinie nicht als ideologisch fix zu betrachten, sondern weiterhin Spielräume und Flexibilität zu erhalten, um den diversen Erwartungen und Ansprüchen auf dem Freiburger Wohnungsmarkt gerecht werden zu können und die Zielkonflikte tatsächlich lösen zu können. Pauschalregelungen und fixe Quoten werden nicht zum gewünschten Ergebnis führen oder uns mit unverhältnismäßig hohen Kosten belasten.

Vielen Dank an Sabine Recker und das Team des Referats für bezahlbares Wohnen, sowie an die vielen Fachämter für die Zusammenstellung dieser Leitlinie.

Wir sind gespannt auf die konkreten Umsetzungen bei den anstehenden Baugebieten wie Kleineschholz und Dietenbach und erwarten auch hier eine kontroverse Diskussion über den richtigen Weg zu mehr bezahlbarem Wohnraum in Freiburg.

Vielen Dank.